Dokumentation

Digitalworkshop
Pakt für Prävention 2020:
Corona-Erfahrungen in der Gesundheitsförderung

30.09.2020
online // Hamburg

Was lernen wir für ein gesundes und resilientes Hamburg? Und welche Impulse gibt es für die Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung? Das waren die zentralen Fragen der Veranstaltung.

Aufgrund der Corona-Pandemie verlief der Kongress des Paktes für Prävention am 30. September 2020 nicht wie gewohnt. In einem zweistündigen Digitalworkshop kamen etwa 100 Teilnehmer*innen zusammen, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Eine zentrale Fragestellung des Workshops war: Welche Impulse geben diese Erfahrungen für die Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung? Die in dem Workshop gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung und für die Planung der Veranstaltung im Jahr 2021. Zu den jeweiligen Programmpunkten wurden Online-Abfragen durchgeführt, deren Ergebnisse in dieser Dokumentation dargestellt sind. Es hat sich gezeigt, dass die Abfragezeiträume gerade zu Beginn der Veranstaltung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu kurz angesetzt waren, was sich teilweise in der Teilnahmequote zeigt und zu Einschränkungen in der Aussagekraft führt.
Die besprochenen Erfahrungen beziehen sich auf das Frühjahr 2020.

Begrüßung und Impulsvortrag

Drei Rahmenprogramme, mehr als 120 Unterzeichner*innen und insgesamt über 1500 Teilnehmer*innen an den jährlichen Veranstaltungen: In ihrem Audio-Grußwort stellte Prof. Dr. Susanne Busch, Vorsitzende der HAG, die Bedeutung von zehn Jahren „Pakt für Prävention“ heraus.

Prof. Dr. Susanne Busch
Grußwort

Prof. Dr. Susanne Busch

Vorsitzende der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG)

Audio

Gesundheitssenatorin Dr. Melanie Leonhard hob in ihrer Begrüßung die Chancen der Zusammenarbeit in den Themenfeldern Gesundheit, Familie, Soziales sowie Arbeit und Integration hervor, die sich durch die neu strukturierte Sozialbehörde ergeben. Sie unterstrich die Bedeutung des Paktes für Prävention, diese Arbeitsbereiche zusammenzudenken und zu verzahnen. Der Pakt stehe für vernetzte Gesundheitsförderung in Hamburg, für gemeinsame Programmentwicklung und für Lebensweltenorientierung – und das sehr erfolgreich seit nunmehr zehn Jahren. Die Gesundheitssenatorin gratulierte dem Pakt zu seinem Jubiläum und dankte den Mitgliedern und Mitwirkenden für ihre Beteiligung und ihr Engagement, den Pakt und damit die Gesundheitsförderung in Hamburg stetig und fachübergreifend weiterzuentwickeln. Der Pakt sei längst über die Stadtgrenze hinaus als Keimzelle und Erfolgsmodell guter Zusammenarbeit bekannt.

In ihrem Impulsvortrag „Der Beitrag der Gesundheitsförderung zur resilienten Stadt“ regte Prof. Dr. Irmtraud Beerlage von der Hochschule Magdeburg-Stendal an, über alle Ressorts hinweg eine Diskussion anzustoßen, um zu klären, wie diese ihren Beitrag arbeitsteilig im Dienste einer „resilienten Stadt“ leisten können. Bisher verinselte fachliche Impulse und Strategien müssten zusammengeführt werden.

Wünschenswert wäre es, wenn die Gesundheitsförderung sich in Überlegungen zur Notfallvorsorge stärker einbringen würde, da sie über einen geeigneten, beteiligenden Bildungsansatz, qualifizierte Akteure und Zugänge zu Settings verfüge. Im wissenschaftlichen Kontext der Gesundheitsförderung seien auch Eigenschaften resilienter und nachhaltiger sozialer Systeme konkretisiert worden. Beispielhaft seien hier genannt: ausgeprägte und inklusive soziale Netzwerke und Unterstützung, Gerechtigkeit, Partizipation und Zugang zu relevanten (Bildungs-)Ressourcen, kontinuierliche soziale Lernprozesse (Fehlerfreundlichkeit), Risikobewusstsein, Vorbereitung auf mögliche Krisen und Veränderungsbereitschaft.

Der Digitalworkshop des Paktes für Prävention hat hier seine Bedeutung, nämlich gemeinsam an Lösungen und Wachstum für die resiliente Stadt zu arbeiten.

Prof. Beerlage

Frau Prof. Beerlage

Hochschule Magdeburg-Stendal

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Abfrage

Die Teilnehmer*innen benannten in der Abfrage zum Vortrag als wichtigsten Aspekt „Kommunikation und Resilienz“, dicht gefolgt von dem „Blick über den Tellerrand“.

Balkendiagramm: Wichtigste Impulse

Erfahrungen aus der Praxis

Welche Erfahrungen haben die Hamburger Akteure in der Pandemiezeit gemacht? Was war wichtig? Was hat funktioniert, was nicht? Wie wurden die Menschen erreicht, die erreicht werden sollten? Wie haben sich die Angebote verändert? Wie hat die Arbeit in den Netzwerken funktioniert? Wie sah es mit der Gesundheit am Arbeitsplatz aus? Was hat die Akteure am meisten herausgefordert und welche Lösungen haben sie gefunden?
Eingebettet in die Schilderung guter Praxis haben Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen in verschiedenen Abfragen virtuell mitgeteilt.

Abfrage

Über 57 Prozent der an der Abfrage Beteiligten haben ihre Zielgruppe überwiegend bzw. unverändert erreichen können.

Balkendiagramm_Wir konnten erreichen

Hans Berling, Geschäftsführer der Jenfelder Kaffeekanne – Aktive Nachbarschaft Jenfeld e.V. berichtete schriftlich über seine Erfahrungen, da er persönlich nicht teilnehmen konnte. Die „Jenfelder Kaffeekanne“ ist eine Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Neben den offenen Angeboten liegen Schwerpunkte in der Beratung von Eltern und in der Sicherstellung der Essensgrundversorgung für Kinder und Jugendliche. In den zwei Monaten, in denen die Einrichtung für den Publikumsverkehr geschlossen war, ist es gelungen, Zugänge zu schaffen. Es wurden Diensthandynummern öffentlich gemacht, Postkarten verschickt, telefonische Beratungen durchgeführt, es wurde aufsuchend gearbeitet und Prepaidkarten sowie Handys verteilt.

Abfrage

Auf die Frage nach Zugangswegen gaben die Teilnehmer*innen an, dass sie sowohl telefonisch als auch digital Kontakt (Videotools, E-Mail, Messenger, etc.) zu den Menschen aufgenommen haben. Zahlreiche kreative Lösungen wurden gefunden, wie z.B. nach draußen verlegte Gespräche, Wandbriefe oder Balkonsport.

Wortwolken_Zugangswege

Frauke Hennings, Vorständin der ag reha und Geschäftsführerin von „Der Hafen – Verein für psychosoziale Hilfe Harburg e.V.“ schilderte ihre Erfahrungen. „Der Hafen“ ist sozialräumlich im Hamburger Süden für Menschen in belastenden Lebenssituationen oder mit einer seelischen Erkrankung sowie für deren Angehörige und das persönliche Netzwerk tätig. „Der Hafen“ bietet Beratung, Begleitung, Behandlung, Therapie, Arbeit und Beschäftigung im Rahmen der Sozialgesetzbücher V, VIII und IX an.

Den Mitarbeiter*innen war es wichtig, den persönlichen Kontakt weiter aufrechtzuerhalten. Spaziergänge oder Radfahrten mit den Klient*innen machten Kontakte mit Abstand möglich und führten zu mehr (gesundheitsförderlicher) Bewegung. Gruppenangebote wurden über Zoom durchgeführt. Diese Veränderungen sollen in die weitere Arbeit des „Hafens“ einfließen. Frauke Hennings wies darauf hin, wie wichtig für Hamburg ein Krisendienst mit einer 24-Stunden-Erreichbarkeit wäre.

Hennings

Frauke Hennings

Der Hafen – Verein für psychosoziale Hilfe
Harburg e.V.

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Abfrage

Die meisten Teilnehmenden gaben in der Abfrage an, dass Vernetzung und Austausch, die digitale Ausstattung und Kompetenz sowie ausreichende Handlungsspielräume dazu geführt haben, dass Angebote schnell umgestellt werden konnten.

Angelika Maaßen von der „Hamburgischen Brücke – Gesellschaft für private Sozialarbeit e.V.“ und Katja Schlegel von der Poliklinik Veddel fokussierten in ihren Beiträgen die Bedeutung ihrer Netzwerke.

Angelika Maaßen arbeitet seit über 30 Jahren in der psychologischen Beratung für Angehörige von an Demenz erkrankten Menschen. Sie ist im Demenzdock bei der Hamburgischen Brücke tätig. Dabei berät sie Angehörige und qualifiziert Freiwillige für Besuchsdienste. Die Hamburgische Brücke ist Teil des Verbunds „Angehörigenhilfe Demenz für Hamburg“. Dieses fachliche Netzwerk konnte genutzt werden, um das Beratungsangebot für Angehörige von Menschen mit Demenz zu erweitern. Die unkomplizierte Unterstützung durch die Sozialbehörde förderte die weitere Vernetzung der Akteure. Frau Maaßen würde eine Beibehaltung dieses erweiterten Angebots begrüßen.

Katja Schlegel ist Gründungsmitglied der Poliklinik Veddel und arbeitet in der Projektleitung seit Jahresanfang als Koordinatorin der lokalen Vernetzungsstelle für Prävention. Die Poliklinik Veddel ist ein Pilotprojekt für eine neue ambulante medizinische Versorgung, das die sozialen Determinanten von Gesundheit im Blick hat. Die Poliklinik ist ein interdisziplinäres Stadtteilgesundheitszentrum, das primärmedizinische Versorgung und Vorsorge mit Gemeinwesenarbeit und Prävention verbindet.
Die Arbeit in und mit den aktiven sozialräumlichen Netzwerken war bereits etabliert und konnte gut genutzt werden. Dies hat zur schnellen Ausweitung der Angebote geführt. Gemeinsam mit anderen Akteuren konnte eine Telefonkette aufgebaut werden. Digitale Angebote wurden entwickelt. Vertrauenswürdige und hochfrequentierte Orte wurden als Multiplikatoren genutzt, wie z.B. Apotheken und Kioske. Katja Schlegel hob hervor, wie wichtig die Struktur von interdiziplinären Stadtteilgesundheitszentren gerade auch in Pandemiezeiten ist, da dadurch viel schneller und umfassender auf die veränderten Bedarfe reagiert werden kann und die gesundheitliche Versorgung optimiert wird.

Videostill

Angelika Maaßen & Katja Schlegel

  • Hamburgische Brücke – Gesellschaft für private Sozialarbeit e.V.
  • Poliklinik Veddel
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Abfrage

Die Abfrage zu Netzwerktreffen ergab, dass über die Hälfte der Netzwerke sich seltener oder nicht mehr getroffen haben.

Balkendiagramm_Netzwerktreffen

Michael Gümbel ist Leiter der Anlaufstelle „Perspektive Arbeit & Gesundheit“ (PAG), die Beschäftigte und Betriebe kostenlos und niedrigschwellig zu Fragen von Arbeit, Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit berät. Bezogen auf das Thema „Gesundheit am Arbeitsplatz in Zeiten von Corona“ stellte er fest, dass die Betriebe, die sich bereits mit Gefährdungsbeurteilung auskannten, auf diesen Erfahrungen und Kenntnissen aufbauen konnten. In diesen Betrieben gab es klare Anhaltspunkte und Vorstellungen von Gefährdungslagen. In vielen anderen Betrieben gab es zu Beginn der Pandemie keine Kommunikation über die Situation, also keine Hinweise auf eine mögliche Schließungsperspektive oder auch keine Ansprechbarkeit der Verantwortlichen. Das Setting „Arbeitsplatz“ sollte stärker von der Politik in den Blick genommen werden. Hilfreich wäre es, wenn die Arbeitgeber*innen / Verantwortlichen ihren Gestaltungsspielraum stärker nutzen würden. Herr Gümbel wies auf die Notwendigkeit einer vorausschauenden Pandemieplanung hin.

Herr Gümpel

Michael Gümbel

Anlaufstelle Perspektive Arbeit & Gesundheit (PAG)

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Abfrage

Wortwolken_Gesundheit am Arbeitsplatz

Nach Herausforderungen gefragt, gaben die Teilnehmer*innen die Sorge um Ansteckung, fehlende/veränderte Kontakte zur Anspruchsgruppe oder Umstrukturierungen der Arbeit an.
Lösungen finden sich in Selbstfürsorge, wertschätzender und transparenter Kommunikation sowie einer gelassenen Haltung. Digitaler Austausch und Vernetzung waren, sofern möglich, ebenfalls hilfreich, um Angebote anzupassen und fortzuführen.

Ausblick

Abschließend fassten Katharina Hauschildt (AOK Rheinland/ Hamburg), Petra Hofrichter (HAG), Prof. Irmtraud Beerlage (Hochschule Magdeburg-Stendal) und Monika Püschl (Sozialbehörde) die Veranstaltung zusammen und gaben einen Ausblick für die weitere Arbeit des Paktes und die Veranstaltung im nächsten Jahr. Der Pakt für Prävention wird sich in seiner Arbeit weiter mit dem Thema Resilienz der Gesundheitsförderung beschäftigen. Es hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, individuelle, gemeinschaftliche und strukturelle Krisenkompetenzen aufzubauen. Die Gesprächspartnerinnen waren sich einig, dass es etablierte Strukturen und Netzwerke braucht, um in Krisensituationen auf diese gefestigten Strukturen und Netzwerke zurückgreifen zu können (capacity building). Die lokalen Strukturen vor Ort haben sich hierzu in Hamburg als Schlüsselstruktur erwiesen. Gleichzeitig ist eine möglichst große Flexibilität von Trägern wie Geldgebern in der Suche nach situationsbezogenen, kreativen Lösungen sehr hilfreich, dies erfordert Kommunikation und Austausch (auch über Fehler) sowie Regelwerke, die diese Offenheit möglich machen.

Impulse zur Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung und Anregungen für den kommenden Kongress:

  • Informations- und Kommunikationsstrategien der Gesundheitsförderung reflektieren: Kommunikationskompetenzen und -infrastruktur, glaubwürdige Informationsquellen
  • Etablierte Netzwerkarbeit als Grundlage der resilienten Gesundheitsförderung ausbauen und fördern (capacity building):

     - Lücken identifizieren; Netzwerke mit spezifischen Kompetenzen
        erkennen und einbinden
     - Netzwerke als Orte für zielgerichtete Bedarfsidentifikation und
        Lösungsfindung stärken

  • Kreative Zugänge auch weiterhin suchen, beispielsweise digitale Formate, Bewegungsformate draußen, Chatverteiler, mehr aufsuchendes Arbeiten
  • Flexibilität von Regelwerken/Leitfäden fördern: Ausprobieren und Kreativität ermöglichen
  • Verantwortungsübernahme von Arbeitgeber*innen für Gesundheit stärken
  • Blick über den Tellerrand: Lernen von anderen Politikfeldern hinsichtlich Resilienz
  • Health in All Policies weiter befördern
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