Fachtagung Frühe Hilfen
„Väter in den Frühen Hilfen. Guter Start für Hamburgs Kinder“
Eine Kooperationsveranstaltung der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) und der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG).
Begrüßung und Eröffnung
An Väter werden heute vielfältige Erwartungen gestellt: Alte Geschlechterstereotype und unterschiedliche kulturelle Ausprägungen und Traditionen mischen sich mit einer gesellschaftlich veränderten Vorstellung von Familie und neuen Bildern des präsenten und emphatischen Vaters. Auch in gesellschaftlichen Debatten sowie der Wissenschaft und Fachöffentlichkeit wird den Vätern seit einigen Jahren immer größere Beachtung geschenkt und ihre Bedeutung für ein gutes Aufwachsen von Kindern analysiert und hervorgehoben. Gleichzeitig erreichen Angebote rund um Schwangerschaft, Geburt und Frühe Kindheit weiterhin primär Mütter. Um die Auseinandersetzung in diesem Themenfeld zu vertiefen, Impulse für die Praxis zu geben und Möglichkeiten für fachlichen Austausch sowie Vernetzung zu bieten, hat die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) in Kooperation mit der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) zur ganztägigen Fachtagung ins Bürgerhaus Wilhelmsburg eingeladen. Unter Beachtung der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung konnten rund 100 Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen, der Schwangerenberatung, der Mütterberatung, der Familienförderung, der Jugendhilfe, von den Babylotsen und den Familienteams sowie viele weitere Akteurinnen und Akteure, die in den Netzwerken der Frühen Hilfen in Hamburg tätig sind, teilnehmen.
Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg, eröffnete die Fachtagung und sprach allen Teilnehmenden ihre Anerkennung für die Planung und Organisation einer Präsenzveranstaltung aus. Sie betonte und stellte positiv heraus, dass sich das Konzept der Frühen Hilfen bewährt und vor allem im Hinblick auf die Corona-Pandemie gezeigt habe, wie gut es funktioniere und angenommen werde. Viele Familien konnten trotz der erschwerten Bedingungen erreicht werden, die Fachkräfte meisterten mit kreativen Lösungen die besonderen Herausforderungen. Mit dem Corona-Aufholprogramm stehen nun auch zusätzliche finanzielle Mittel für die Umsetzung weiterer Angebote und Konzepte zur Verfügung.
Beim Programmpunkt „Gestern, heute, morgen – Frühe Hilfen in Hamburg in der Pandemie“ wurden die Teilnehmenden selbst aktiv. Mit handwerklichem Geschick bearbeiteten sie Pfeifenreiniger mit den Gedanken an die Zeit der Pandemie, in Murmelrunden tauschten sie sich über Strategien und Mutmacher aus, schrieben sich gegenseitig wertschätzende Postkarten und sammelten mit Hilfe des eigenen Smartphones eine digitale Liste zu Punkten, was junge Familien jetzt brauchen. Häufig genannt wurden: Wertschätzung, Zuversicht, Verlässlichkeit, Entlastung und Planungssicherheit, ebenso der Austausch mit anderen Familien, niedrigschwellige und altersgerechte Angebote sowie fachliche Unterstützung und beständige Kontakte zu Menschen, die zuhören.
Susanne Hüttenhain – Landeskoordinatorin Frühe Hilfen im Amt für Familie und Nicole Dirks-Wetschky – Referentin Frühe Hilfen im Amt für Gesundheit aus der Sozialbehörde bedankten sich bei der Vorbereitungsgruppe zur Fachtagung. Akteurinnen aus den Frühen Hilfen haben ihre Expertise in die Gestaltung eingebracht, um die Veranstaltung noch besser an die Bedürfnisse der Hamburger Akteur*innen der Frühen Hilfen anzupassen. Einstimmend auf das Thema „Väter in den Frühen Hilfen“ stellten Susanne Hüttenhain und Nicole Dirks-Wetschky Daten und Standpunkte vor. Immer mehr Väter – unabhängig von familiärer Tradition, von Familienform oder Herkunft – wollen ihre jeweilige Rolle individuell und aktiv ausgestalten. Sie nehmen Anteil an der Schwangerschaft, sind bei der Geburt dabei und beantragen Elternzeit. Fakten zum Elterngeld und Studien zur Gestaltung der Rollen in der Pandemie zeigen jedoch, dass es bei der Ausübung der Rolle des „neuen“ Vaters Luft nach oben gibt. Hier brauche es noch mehr Angebote, die sich an den Bedarfen der Väter ausrichten und eine positive Vater-Kind-Bindung stärken. Zudem sei es wichtig und sinnvoll den Vater bei allen gesundheitspräventiven Maßnahmen für die Mutter einzubeziehen, z.B. bei der Rauchentwöhnung oder beim Erreichen eines gesunden Lebensstils. Darüber hinaus sollten die Männer nicht nur als Partner der Mutter gesehen werden, sondern als Väter – um ihrer selbst willen. Daraus ergäben sich die Fragen: Wie werden Väter angesprochen? Und wie können Väter gut erreicht werden? Denn das Ziel in den Frühen Hilfen Hamburg sei, dass die Familie insgesamt einen guten Start haben. Mit der Fachtagung sollten hierfür Impulse gesetzt werden.
Fachvorträge
Prof. Dr. Andreas Eickhorst ist in dem Themenfeld „Väter in den Frühen Hilfen“ einer der renommiertesten Experten in Deutschland. Er ist seit 2018 Professor für Psychologische Grundlagen Sozialer Arbeit an der Hochschule Hannover, vorher war er Leiter der Fachgruppe Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) am Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI). Zudem ist er Sprecher der Fachgruppe Väter des Bundesforums Männer e.V., sitzt im Vorstand des Väter-Experten-Netzes Deutschland (VEND e.V.) und Mitglied im Beirat des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe). In seinen Vortrag: „Väter in den Frühen Hilfen – Risiko oder Ressource?“ blickte er mit verschiedenen Perspektiven auf Väter. Er berichtete, welches Wissen über die Kompetenzen von Vätern und der Vater-Kind-Interaktion vorliegt und gab einen historischen Überblick über Väter in der Gesellschaft und welche Bilder vom Vatersein vorherrschen. Bezogen auf Väter in den Frühen Hilfen zeigte er den aktuellen Forschungsstand auf und machte deutlich, welche Chancen es gibt, Väter in den Frühen Hilfen zu erreichen und welche Hürden es gibt. Der Vortrag wurde aufgezeichnet und steht allen Interessierten zur Verfügung.
Videoaufzeichnung des Fachvortrags von Prof. Dr. Andreas Eickhorst
„Väter in den Frühen Hilfen – Risiko oder Ressource?“
Präsentation des Fachvortrags von Prof. Dr. Andreas Eickhorst
„Väter in den Frühen Hilfen – Risiko oder Ressource?“
Nach der Pause wurden die Teilnehmenden mit einem besonderen Programmpunkt begrüßt. Florian Hacke – Schauspieler, Kabarettist, Comedian und Poetry-Slammer – trug seinen eigens für die Fachtagung geschriebenen Text mit dem Titel: „Vater sein dagegen sehr – ein neuer Blick auf eine neue Welt“ vor und gab Einblicke in die Gedankenwelt eines Vaters. Sein Auftritt kann im folgenden Video angesehen werden.
Videoaufzeichnung des Auftritts von Florian Hacke
„Vater sein dagegen sehr – ein neuer Blick auf eine neue Welt“
Es folgte der Vortrag von Prof. Dr. Michael Tunç, Dipl. Soz.-Pädagoge und seit Herbst 2020 Professor für Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft an der HAW Hamburg, zudem tätig in Forschung und Sozial- und (Fort-)Bildungsarbeit zu Männlichkeit/Väterlichkeit im Kontext von (Flucht)Migration und Diversität. Er ist vielfältig ehrenamtlich aktiv: als stellvertretender Vorstandsvorsitzender im Bundesforum Männer und stellvertretender Vorsitzender im Verein Väter in Köln e.V. sowie im Vorstand des bundesweiten Netzwerks Männlichkeiten, Migration und Mehrfachzugehörigkeit e.V. Unter dem Titel „Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen in den Frühen Hilfen. Zwischen Fürsorglichkeit und mehrfachem Druck“ stellte er Forschungen und Erfahrungen zum Thema Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen in den Frühen Hilfen dar. Dabei wurden negative Stereotype reflektiert und Ressourcen der Adressatengruppe diskutiert. Für die praktische Arbeit mit Vätern wurden Fragen der Haltungen von Fachkräften gegenüber der Adressatengruppe vorgestellt, um trotz teils vorhandener Schwierigkeiten die Ressourcen der Väter wahrnehmen und einbeziehen zu können. Auch dieser Fachvortrag wurde aufgezeichnet und liegt online vor.
Videoaufzeichnung des Fachvortrags von Prof. Dr. Michael Tunç
„Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen in den Frühen Hilfen. Zwischen Fürsorglichkeit und mehrfachem Druck“
Präsentation des Fachvortrags von Prof. Dr. Michael Tunç
„Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen in den Frühen Hilfen. Zwischen Fürsorglichkeit und mehrfachem Druck“
Parallellaufende Workshops zur Information und zum fachlichen Austausch
Während der Mittagspause gab es Gelegenheit für Austausch, Begegnung und Netzwerken. Die Fotoausstellung „Väter heute – eine Ausstellung über Männer in der Familie“ des Fotografen Andreas Lübberstedt, VÄTER e.V. und des Netzwerkes Vätervielfalt Hamburg im Foyer veranschaulichte das Thema. Anschließend starteten fünf parallele Workshops zur Information und zum fachlichen Austausch.
Im Workshop I „Haltung, Zielklärung und Umsetzung des Vätereinbezugs in den Frühen Hilfen“ von Prof. Dr. Andreas Eickhorst wurden in gemeinsamer Diskussion relevante Kriterien zur Umsetzung eines lokalen Vätereinbezugs in bestehende oder auch neu zu schaffende Angebote der Frühen Hilfen erarbeitet. Themen waren: motivierende und hemmende Faktoren zur konkreten Gewinnung von Vätern, die zugrundeliegende Haltung der Fachkräfte sowie klare und transparente Zielvorstellungen, um unterschiedlichen Schwierigkeiten bei der Angebotsgestaltung möglichst von vornherein aus dem Weg zu gehen.
Materialien aus dem Workshop von Prof. Dr. Andreas Eickhorst
„Haltung, Zielklärung und Umsetzung des Vätereinbezugs in den Frühen Hilfen“
Der Workshop II „Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen ressourcenorientiert beteiligen!“ von Prof. Dr. Michael Tunç beleuchtete Erfahrungen zum Thema Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen und stellte Praxis-Ansätze migrationssensibler Väterarbeit im Feld Früher Hilfen vor. Er reflektierte insbesondere Fragen der Haltungen von Fachkräften gegenüber der Adressatengruppe. Denn mittels ressourcenorientierter Konzepte lassen sich Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen erfolgreich einbeziehen bzw. beteiligen – trotz teils vorhandener Schwierigkeiten.
Materialien aus dem Workshop von Prof. Dr. Michael Tunç
„Väter mit (Flucht)Migrationserfahrungen ressourcenorientiert beteiligen!“
Der angekündigte Workshop III „Bindungs- und Beziehungsgestaltung von Vätern mit schwierigen familiären Erfahrungen: Erkenntnisse und Ableitungen für die praktische Arbeit“ von Prof. Dr. Katja Nowacki (Dipl. Sozialpädagogin, Professorin für klinische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Fachhochschule Dortmund) musste leider entfallen.
Im Workshop IV „Väter rund um die Geburt – zwischen Ressource und Belastung“ von Dr. med. Wolf Lütje (Frauenarzt – Psychotherapie, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhauses Hamburg, Präsident DGPFG) ging es um die „neuen“ Väter als ein historisches Novum. Er berichtete von vielschichtigen biopsychosozialen Aspekten der neuen Präsenz der Väter im Kontinuum vom Schwangerschaftskonflikt, über die Schwangerschaft, die Geburt, das Wochenbett und die ersten Jahre des Elternseins.
Materialien aus dem Workshop von Dr. med. Wolf Lütje
„Väter rund um die Geburt – zwischen Ressource und Belastung“
Im Workshop V beleuchteten Lars Henken (seit 1997 Texter und Autor, von 2016 bis Mai 2021 Geschäftsführer von VÄTER e.V., freiberuflich in der Väterarbeit tätig (ev. Familienbildung, VÄTER e.V.), Vater von zwei Kindern) und Helmut Szepansky (Rentner, von 1980 – 2018 in verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit tätig, zuletzt Leitung des Kinder- und Familienzentrum Barmbek, freiberuflich tätig in der Väterberatung, als Psychotherapeut in eigener Praxis, v.a. als Paartherapeut, und als Holzbildhauer) das Thema „Partizipation von Vätern in den Frühen Hilfen – Gelingensbedingungen und unsere Widerstände“. Sie gingen gemeinsam mit den Teilnehmenden den Fragen nach: Jedes Kind hat einen Vater. Wo sind aber die Väter in den Einrichtungen und in den Angeboten der Frühen Hilfen? Was tun wir dafür, dass sie sich beteiligen? Wie verhindern wir das unbeabsichtigt? Welche Argumente fehlen den Vätern, um sich mehr zu engagieren?
Materialien aus dem Workshop von Lars Henken und Helmut Szepansky
„Partizipation von Vätern in den Frühen Hilfen – Gelingensbedingungen und unsere Widerstände“
Der Workshop VI „Eltern sein und Paar bleiben – wie kann eine verbindende Kommunikation gelingen?“ von Kerstin Erl-Hegel (Paar- und Familientherapeutin, Supervisorin, eigene Praxis: Elternwerkstatt-Hamburg) gab Anregungen und Austausch für Fachkräfte in den Frühen Hilfen. Was brauchen Mütter und Väter um sich gesehen und wertgeschätzt zu fühlen? Wie kann ein „Miteinander sprechen“ ohne Machtkampf um die Aufgaben- und Rollenverteilung gelingen? Welche Bedeutung hat die Äußerung von Bedürfnissen und Wünschen? Wie gelingt ein positiver Blick aufeinander?
Materialien aus dem Workshop von Kerstin Erl-Hegel
„Eltern sein und Paar bleiben – wie kann eine verbindende Kommunikation gelingen?“
Was war die Kernbotschaft? Was nehmen die Referierenden mit in ihren Arbeitsbereich? Was war den Praktiker*innen besonders wichtig? Anita Hüseman, die als Moderatorin durch den Tag begleitete, trug mit den Referierenden die Highlights aus den Workshops zusammen und vermittelte Einblicke in diese.
Verabschiedung und Poetic Recording
Zum Abschluss fanden Susanne Hüttenhain und Nicole Dirks-Wetschky bestärkende Worte für die weitere Auseinandersetzung mit der Thematik. Sie beschrieben die Veranstaltung als sehr bereichernd und gehen mit vielen neuen Ideen und Impulsen aus der Fachtagung. Sie ermutigten auch alle anderen Teilnehmenden dranzubleiben und Wege wirklich zu gehen. Sie bedankten sich bei allen Beteiligten für das aktive Mitwirken und betonten die spürbare Energie durch die Präsenz-Veranstaltung.
Den letzten Auftritt hatte Florian Hacke, der die gesamte Fachtagung aufmerksam verfolgte und in einem Poetic Recording pointiert und mit schönen Worten die einzelnen Programmpunkte der Veranstaltung zusammenfasste. Auch dieses Highlight gibt es als Video zum Anschauen.
Videoaufzeichnung des Auftritts von Florian Hacke
„Poetic Recording der Fachtagung: Väter in den Frühen Hilfen“
Zur weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik finden Sie hier eine Auswahl einiger Broschüren, Studien und Literatur zur Vertiefung: Literaturliste zur Fachtagung Frühe Hilfen „Väter in den Frühen Hilfen. Guter Start für Hamburgs Kinder“